Nachdem ich ja in meinem vorigen Artikel die Vorteile des polyamoren Beziehungsstils beschrieben habe möchte ich heute über die Herausforderungen die solche Beziehungskonstellationen mit sich bringen können, schreiben.
Davon gibt es einige.
Am Beginn steht das anspruchsvolle Thema des Ressourcenmanagements, eine der größten Anforderungen an die Beteiligten. Mit wem verbringe ich wann wie viel Zeit? Wem schenke ich wie viel Aufmerksamkeit? Es verlangt den jeweiligen Personen viel ab, eine gerechte (Zeit) Aufteilung hinzubekommen und den polyamoren Alltag in einer “nicht auf poly ausgerichteten” Gesellschaft zu bewältigen (Familienfeste, Elternabende, Geschäftsessen usw. sollen hierzu genannt werden). Es dreht sich alles um die zentrale Frage: Wer trifft wen, wann, wo, wie oft, warum?
Eine große Gratwanderung ist es in diesem Zusammenhang, dafür zu sorgen, selber nicht auf der Strecke zu bleiben, in der Sorge darum, dass es den Anderen gut geht. Hier kann es oft zu einem Spannungsfeld zwischen den eigenen Bedürfnissen und jenen der Liebsten kommen. In einem größeren Geflecht kann das Ressourcenmanagement derart aufwendig sein, dass für soziale Beziehungen außerhalb der Konstellation wenig oder keine Zeit bleibt.
In polyamoren Beziehungsnetzwerken besteht hohe Bereitschaft zur Reflexion und Kommunikation, was oft sehr viel Geduld erfordert, denn je mehr Menschen große Gefühle haben, umso mehr Konfliktpotential oder Probleme sind vorhanden. Dies hat zur Folge, dass man_frau als beteiligte Person viel zu reden und viel zu tun hat.
Durch den ständigen Konstellationswechsel, ist es immer wieder notwendig sich neu einzustellen. “Mit wem bin ich gerade zusammen?”, “Wer möchte wie gehalten werden?”, “ Wo ist mein Platz?” sind hier zentrale Fragen.
In poly Konstellationen soll meist alles sehr offen und transparent sein. In allen Belangen vollkommen ehrlich zu sein, ist nicht immer leicht, da die Grenzen zwischen Ehrlichkeit und Verletzung oft verschwimmen. Oft kann der hohe Offenheitsanspruch überfordernd sein. Mag man_frau wirklich immer alles erzählen und teilen? Wie sieht es hier mit dem Recht auf Privatspähre aus?
Eine besondere Herausforderung stellen Mono-Poly Beziehungen dar, also solche Verbindungen, in der eine Person monogam lebt und die andere polyamor. Wie bringt man_frau einem an sich monogamen Menschen ein polyamoröses Liebesverständnis nahe und was für ein Umgang miteinander kann gefunden werden? Kann sowas überhaupt funktionieren?
Als grosse Belastung wird von manchen polyamor l(i)ebenden Menschen das Geheimhalten der Beziehung/en in bestimmten Kontexten (wie zum Beispiel der Herkunftsfamilie, unter ArbeitskollegInnen etc.) empfunden.
Dieses Geheimhalten dient meist dazu,Andere, die in der Regel in den üblichen Kategorien denken, nicht zu verstören.
Last but not least ist die grösste Herausforderung beim Umsetzen von polyamoren Liebesverbindungen die Konfrontation mit Eifersucht – sowohl der eigenen, als auch der des Gegenübers – und (Verlust-) Ängsten. In der Poly-Szene wird das Aufkommen von Eifersucht zum Großteil als “normal” und “legitim” gesehen und ein achtsamer und konstruktiver Umgang damit angestrebt.
Über Eifersucht, den Umgang mit ihr, Gegenkonzepte, positive Aspekte der Eifersucht usw. werde ich aber ein anderes Mal schreiben. Dieses Thema braucht viel Platz.
Ich hoffe es ist heute etwas interessantes für euch dabei gewesen.
LiGrü, Conny